Konzertbericht Schloss Taufkirchen 15.9. 2019

 

Besuch aus dem Osten

Es gibt Klischees, die durchaus einen Bezug zur Realität haben, sich auf
schönste Weise immer wieder bestätigen lassen. Dazu gehört auf jeden
Fall jenes von der russischen Seele, die, so jedenfalls Fjodor Dostojewski,
von einem „Lechzen nach Leid“ infiziert zu sein scheint. Wie es sich
beispielsweise und ganz besonders in der Musik eines Pjotr Iljitsch
Tschaikowski wiederfindet, wenn nämlich tiefste Verzweiflung nicht nur den
Beginn seiner 6. und zugleich auch letzten Sinfonie prägt. Ein Phänomen,
das allerdings nicht unbedingt an den Grenzen der Nachbarländer halt
gemacht zu haben scheint, wie das Programm des Trio Karageorgiev an
diesem sonnigen Sonntagnachmittag im frühherbstlichen September
vermuten ließ. Was vielleicht nicht von ungefähr damit zu tun haben könnte,
dass die beiden Schwestern und der angeheiratete Dritte im Bunde aus
Tschechien stammen, aus der von der UNESCO als Kulturdenkmal
geführten Stadt Český Krumlov.

Leichthändig vorgetragene Schwere

Einen ersten Hinweis auf die Richtigkeit der These gaben die altrussischen
Romanzen, von Radka Karageorgieva mit kraftvollem und gleichzeitig
wunderbar einfühlsamen Sopran vorgetragen, weitere Bestätigung erfuhr
sie nicht zuletzt mit dem Klaviertrio e-moll von Antonin Dvorák, für die der
Sopran nun zur Violine griff, Schwester Marcela Křížová am Flügel saß und
Nikola Karageorgiev mit dem Violoncello besonders schwermütige Akzente
setzte. Diese „Dumky“, wie Dvorák sein Opus 90 benannte, basieren zwar
auf einem aus der Ukraine stammenden Tanz, die Dumka, geprägt sind sie
aber vor allem vom Wechsel von ausgelassen schnellen zu langsamen und
schwermütigen Passagen. Wie sie sich im Übrigen auch in Anton
Rubinsteins „Melodie“ oder selbst in Dvoráks „Waldesruhe“ wiederfanden,
als ob selbst in der Stille des Waldes noch Schwermut läge.

Trio Karageorgiev Konzerte im Schloss Taufkirchen

Gemeinsame Wurzeln

Dabei ließ sich auch aufgrund ungezwungenen Harmonierens leicht
nachvollziehen, dass Musikerinnen und Musiker das Studium an der
Janáček Akademie für Musik und darstellende Kunst im tschechischen
Brno, hierzulande auch als Brünn geläufig, absolvierten, auch die
kammermusikalische Weiterbildung zu großen Teilen gemeinsam
angingen. Und während die beiden Schwestern Radka und Marcela das
Studium von Violine und Gesang respektive Klavier am Konservatorium in
Budweis begonnen hatten, sammelte Nikola Karageorgiev intensive
Erfahrungen mit dem Cello erst einmal am Konservatorium in Prag. Obwohl
jeder auch für sich bei nationalen und internationalen Wettbewerben erste
Meriten und Preise erspielte, war wohl für das Trio Karageorgiev neben den

Trio Karageorgiev Konzerte im Schloss Taufkirchen

Konzerten in verschiedenen europäischen Ländern der Auftritt vor der
dänischen Königin und dem Prinzen der größte Moment. Der aber in
keinster Weise dazu führte, dass nicht auch Konzerte und ein Publikum wie
im Festsaal des Wasserschlosses Taufkirchen die ganze Aufmerksamkeit
und das Können dieser sympathisch auftretenden und zugewandten
Interpreten geboten bekommen.

Entdeckungen und ein „Gassenhauer“

Dass dabei mit den gespielten Stücken nicht nur an das Publikum gedacht
wird, zeigte das Trio mit den Werken zweier Schüler Antonin Dvoráks,
nämlich einer „Valse Triste“ von Oskar Nedbal und der „Elegie für
Klaviertrio“ von Josef Suk. So einfühlsam und zur rechten Zeit mitreißend
temperamentvoll nicht nur diese beiden Stücke vorgetragen wurden, das
ließ die Vermutung zu, dass hier auch ganz persönliche Präferenzen zum
Tragen kommen. Dass sich Dvoráks „Humoresken“ just von ihrer nicht nur
bekanntesten sondern durchaus besonders melancholischen Seite zeigten,
ist wohl ebenso nicht nur der Bekanntheit geschuldet wie die Wahl, die auf
Tschaikowskis „Valse sentimentale“ fiel. Doch eher beschwingt hätte dann
das Publikum mit einem „Gassenhauer“ entlassen werden sollen, nämlich
mit dem Walzer desselben Komponisten, aus dem Ballett „Dornröschen“,
was der anhaltende Applaus jedoch verhinderte. Erst nachdem man mit
Tschaikowski träumen und mit Brahms dessen wohl berühmtesten Walzer
tanzen durfte, gab sich das Publikum und alles andere als schwermütig
zufrieden. Das „Lechzen nach Leid“ ist hierzulande – zumindest, was die

Musik betrifft – wohl nicht so ausgeprägt. PET